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Geschichte

Bedeutung der Anlage

Die Holsterburg gehört zu den wenigen oktogonalen Burganlagen des hochmittelalterlichen Europas. Sie bildet einen der frühesten Vertreter dieser Bauform im europäischen Raum und ist zugleich ein singuläres Beispiel in Westfalen. In Deutschland kann gegenwärtig nur in der ältesten, stauferzeitlichen Phase der heutigen Schlossanlage Kilchberg (Tübingen) ein adäquater Vergleich gesehen werden, gleichwohl die hier bislang gewonnenen archäologischen Erkenntnisse einen oktogonalen Grundriss nicht endgültig belegen können. Auch im europäischen Ausland sind Burgen dieses Typs selten, vergleichbar sind etwa die Anlagen von Eguisheim, Guebwiller und Wangen im Elsass.

Holsterburg Rekonstruktion
Rekonstruktion der Holsterburg: Blick von Nordost
(Grafik: ReunionMedia, Emden)

Die ungewöhnliche Bauform der Holsterburg darf als besonderes Statussymbol angesehen werden. Dies unterstreicht auch die Außenfassade der Anlage, welche sie aus der hochmittelalterlichen Burgenlandschaft zusätzlich heraushebt. Sie bildet in diesem Zusammenhang nicht nur für westfälische Burgen in Qualität und Ausführung ein wirkliches Highlight, sondern auch darüber hinaus einen herausragenden Befund im Bereich der hochmittelalterlichen Profanarchitektur. Somit kann die Anlage in ihrer Gesamtheit zu Recht als „Architektur von europäischem Rang“ bezeichnet werden.

Der Bau der Anlage ist in die Mitte des 12. Jahrhunderts zu datieren. Zerstört wurde sie 1294 als Abschluss eines längeren Konfliktes zwischen Alt- und Neustadt Warburg und den auf der Burg ansässigen Edelherren von Holthusen, genannt Bercule/Bircule. Das Städtebündnis aus Bürgern der Städte Warburg, Marsberg, Höxter, Fritzlar, Hofgeismar, Wolfhagen sowie Naumburg eroberte die Burg wohl mit Rückendeckung des Paderborner Bischofs und unter dem archäologisch nachgewiesenen Einsatz einer Blide, um sie im Anschluss zu plündern und zu schleifen. Die Truppen beließen es aber nicht nur beim Abtrag weiter Teile der noch zu verwendenden (Bau-) Materialien. Sie überdeckten die Anlage danach auch mit einem mächtigen Erdhügel, dessen Material zuvor im Bereich des Ortes Holthusen abgegraben wurde, um die Holsterburg als sichtbares Zeichen einstiger Größe der Edelherren wörtlich „dem Erdboden gleich zu machen“ und aus dem Gedächtnis der Nachwelt zu tilgen. Damit schufen sie allerdings auch ungewollt hervorragende Erhaltungsbedingungen. Dies führte aber letztlich dazu, dass der Hügel bis 2010 als Motte beziehungsweise Turmhügelburg fehlinterpretiert wurde.

Bauform und Ausführungsqualität waren wesentliche Ausgangspunkte für ein Forschungsprojekt der LWL-Archäologie für Westfalen, welches seit Beginn der Arbeiten im Jahr 2010 vor allem die Ausgrabung und Dokumentation dieses exzeptionellen Denkmaltyps umfasste. Die Forschungsgrabung führte bis zu ihrem Ende im Jahr 2017 zu Ergebnissen, die ein umfangreiches und begeistertes Echo in Presse, Funk und Fernsehen auslösten. Auch bei der breiten Bevölkerung stieß das Projekt auf große Resonanz. Allein im Rahmen von öffentlichen Führungen wurde die Grabung von mehreren tausend Besuchern aus dem In- und Ausland besucht. Mit dem Abschluss der Feldtätigkeiten ist die Holsterburg die bislang einzige vollständig ergrabene und archäologisch datierte oktogonale Burganlage in Europa.

Der Bedeutung für die Forschung, aber vor allem dem genannten Interesse der Öffentlichkeit, trug der Rat der Hansestadt Warburg mit seinem einstimmigen Beschluss zur dauerhaften Präsentation der erhaltenen Bauelemente der Holsterburg am 8. Mai 2018 Rechnung. Somit wird es auch zukünftig möglich sein, die Reste dieser Anlage in Augenschein zu nehmen.

U06K
1294 November 6 U 6 Bischof Otto von Paderborn verspricht den Städten Warburg, Marsberg, Höxter, Fritzlar, Hofgeismar, Wolfhagen und Naumburg Hilfe und Feindschaft gegen jeden, der sie alle oder einzelne von ihnen wegen Zerstörung der Burg Holthusen (bei Calenberg) oder wegen der daselbst Hingerichteten oder noch in Gefangenschaft Befindlichen angreift oder schädigt.

Lage der Holsterburg

Die Holsterburg wurde etwa Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet. Sie liegt am Südrand des später aufgegebenen Dorfes Holthusen in einem Tal, in dem im Laufe der zeit durch die Erosion, durch das Abschwemmen der Hänge, eine kleine Ebene entstanden ist und durch das von Calenberg her ein Bach fließt, der auch Holsterbach genannt wird. Der bach mündet östlich von Warburg in die Diemel. Durch dieses Bachtal führte damals von der Altstadt her unmittelbar an der Holsterburg vorbei der Handelsweg in Richtung Thüringen, zu dem sich bei Warburg die Straßen durch das Diemel- und das Twistetal sowie die Straße von Paderborn über die Egge vereinigt hatten, die in Kassel "Holländische Straße" heißt. Die Spuren der alten Hohlwege sind noch sehr gut im Gelände zu erkennen.

Dorf und Burg liegen in einem Grenzgebiet, in dem im frühen Mittelalter Sachsen und Franken aufeinander trafen und um das sich später die Bischöfe von Mainz und Paderborn aber auch von Köln und der Landgraf von Hessen stritten. Kaum 1,5 km östlich der Burg findet man noch alte Grenzsteine des Hochstifts Paderborn und Hessens mit den Wappenzeichen Kreuz und gekrönter Löwe, und direkt an der B 7 steht ein Grenzmal aus dem 19. Jahrhundert, als Westfalen zum Königreich Preußen gehörte. Dort liegt auch heute die Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Historische Überlieferung

Der älteste sichere Beleg für die Existenz einer Burg in „Holthusen“ stammt aus dem Verzeichnis der Güter, die Philipp von Heinsberg während seiner Amtszeit als Kölner Erzbischof mit Geld erworben hatte. In der Paderborner Fassung des Güterverzeichnisses findet sich der Eintrag „Herman Bircule et Bernart frater suus ecclesie Coloniensi dederunt domum suam Holthusen cum omnibus attinentiis pro C marcis”. Mit dem hier genannten Brüderpaar Hermann und Bernhard treten auch erstmals sicher die für die Geschichte der Anlage maßgeblichen Edelherren von Holthusen, genannt Bercule/Bircule, namentlich in Erscheinung, die Philipp die Burg und das zugehörige Dorf Holthusen (gegen den Widerstand des Mainzer Erzbischofs und somit den Oberlehnsherren im Bereich südlich der Diemel) übertrugen. Da im Fall von Holthusen keine gleichzeitige Erwerbungsurkunde vorliegt, ist eine Datierung des Ankaufs nur vage und mit Vorbehalt möglich. Die Absetzung Heinrichs des Löwen als Herzog von Sachsen auf dem Reichstag von Gelnhausen und die gleichzeitige Übertragung dieser Würde an Erzbischof Philipp von Köln im Jahr 1180 bilden den Hintergrund für die zur Weser hin ausgreifenden Territorialbestrebungen des Kölners, so dass die Zeit zwischen 1180 und dem Tod des Erzbischofs 1191 eine Erwerbung Holthusens plausibel machen würde.

Nur wenige Urkunden bezeugen die Präsenz der Brüder im Raum Warburg. Aufschlussreich ist ihre Anwesenheit, als sechs Höfe in Bunessen an die Zisterzienser von Hardehausen übertragen wurden. Dies geschah zwischen 1193 und 1205 im Freigericht des Grafen Albert von Everstein, in dem Hermann und Bernhard von Holthusen unter den Schöffen genannt werden. Dies setzt voraus, dass sie einem freien Geschlecht angehörten. Etwa gleichzeitig erscheint Hermann 1194 in einer Urkunde Erzbischof Adolfs von Köln für Kloster Marienfeld, das sich gegen Übergriffe Heinrichs von Schwalenberg zur Wehr setzen musste. Der Erzbischof hatte in Ausübung seiner Macht über die Provinzen Westfalen und Engern Fürsten, Adelige und die Bevölkerung des Landes zusammengerufen, um zu Gericht zu sitzen. Unter ihnen befand sich auch „Hermannus Bircule“, der in der Zeugenliste nach den hohen geistlichen und weltlichen Würdenträgern wie dem Grafen von Everstein platziert ist. Es deutet sich somit an, dass Hermann als Vasall des Kölners Präsenz zeigte – wie auch der Graf von Everstein, in dessen Umkreis die Bercules damals und später zu finden sind.

Beide Brüder haben zusammen mit Albert von Everstein die Belagerung des Desenberges erlebt, die Anfang des 13. Jahrhunderts stattfand und gegen dessen welfische Besatzung gerichtet war. Eingebunden in den Thronstreit zwischen Staufern und Welfen, aber auch im Hinblick auf eigene politische Überlegungen, hatten Bischof Bernhard lll. von Paderborn und Abt Widukind von Corvey zuvor einen Vertrag geschlossen, der die völlige Zerstörung der welfischen Burg besiegelte. Während Hermann Bircule zu den Gewährsleuten des Corveyer Abtes gehörte, fiel Bernhard diese Rolle auf bischöflicher Seite zu, ein Hinweis darauf, dass beide das Vorhaben der verbündeten Geistlichen unterstützten.

Es ist davon auszugehen, dass die Holsterburg neben dem Warburger Burgberg ein wichtiger Stützpunkt der bischöflich/corveyischen Partei bei der Belagerung war und es den Herren von Holthausen durchaus recht gewesen sein wird, die bedrohliche welfische Höhenburg, welche nahezu in Sichtweite lag, zerstört zu wissen. Gleichzeitig stellt dieses Ereignis ihre politische Haltung offen zur Schau: Sie waren zweifelsfrei Anhänger der staufischen Sache.

Nördlicher Innenhof
Historisches Kartenmaterial, Gigas; Paderborn
(Archiv der Stadt Warburg)

Hermann und Bernhard haben 1206 noch gelebt, danach ist nur noch Bernhard sicher nachweisbar. Deutliche Hinweise sprechen dafür, dass Hermanns gleichnamiger Sohn, der 1225 als Ritter genannt wird, seine Nachfolge antrat. Bernhard selbst hat möglicherweise noch 1236 gelebt und bezeugte zuletzt eine Schenkung an Kloster Arolsen. 1266 taucht schließlich nochmals ein „nobilis (Hermannus) (Bir)cule“, also ein „Edler“, im Landfriedensbündnis zwischen Bischof Simon I. von Paderborn und dem hessischen Landgrafen Heinrich auf. Er ist hier als bei strittigen Fragen auf Seiten des Bischofs anzurufende Person benannt. Um 1250 erbauten die Ritter Bercule die nahe gelegene Höhenburg Calenberg. Nach ihr nannten sich die stammes- und wappengleichen Herren und Grafen „von Calenberg“. 1275 sind ein Ritter „Hermannus de Holthosen miles dictus Berkule“ und seine Brüder Johann und Hermann von Calenberg im Rahmen einer Übertragung von sieben Hufen an das Kloster Hilwartshausen genannt. Zunehmende Disharmonien und Konflikte der Edelherren von Holthusen, insbesondere mit Alt- und Neustadt Warburg, führten in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu permanenten Spannungen und handfesten Auseinandersetzungen, welche schließlich in einer blutigen Fehde mündeten.

Der Konflikt endete 1294 im Untergang der Burg. Eben jene Zerstörung („destructionis castri dicti Holthusen“) erwähnt auch eine Urkunde vom 6. November desselben Jahres. Bischof Otto schließt darin aber vor allem ein Bündnis zur Wahrung des Landfriedens und verspricht Hilfe und Feind schaft denjenigen, der sie „alle oder einzelne von ihnen wegen Zerstörung der Burg Holthusen (...) oder wegen der daselbst Hingerichteten oder noch in Gefangenschaft Befindlichen angreift oder schädigt“. Nach dem Verlust ihrer Stammburg finden wir 1323 letztmalig ein Mitglied der ehemals edelfreien Familie von Holthusen mit dem ungewöhnlichen Zunamen „Bercule“ als Burgmann zu Warburg.

Auszug aus: Frühe Burgen Westfalens, Band 43: H.-W. Peine/K. Wegener, Die Holsterburg bei Warburg, Kreis Höxter (Münster 2020).
 

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